
»Das alles ist Anton: Traurigkeit, schalkhaftes Aufblitzen, Ernsthaftigkeit, Nachdenklichkeit. Weinen und Lachen. Und die große, einsame Angst in den Bombennächten.«
Im Roman Anton oder die Zeit des unwerten Lebens (2004) von Elisabeth Zöller geht es um einen kleinen Jungen namens Anton. Anton lebt mit seiner Familie in der deutschen Stadt Münster. Er ist der jüngste von vier Kindern. Der älteste Bruder heißt Bernhard, die ältere Schwester Marie und die jüngere Margarete. Die Handlung spielt zur Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges in Deutschland. Antons Eltern sind gegen Hitler, aber das darf keiner wissen, weil sie sonst als Verräter gelten. Als Kleinkind wird Anton von einer Straßenbahn angefahren. Dieser Unfall führt dazu, dass seine rechte Hand gelähmt ist und er wegen einer Gehirnerschütterung stottert. Das Problem ist, dass Anton als Geisteskranker aus der Sicht der Nazis kein Recht mehr zu leben hat. Die Nazis bezeichnen Behinderte als minderwertig und finden, dass sie nutzlos sind. Antons Vater arbeitet in einer Schule und gemeinsam mit »Onkel« Franz, einem Lehrer, setzt er sich dafür ein, dass Anton im Herbst eingeschult werden kann. Wenn Anton nicht zur Schule gehen würde, würde man ihn in eine Anstalt für Geisteskranke bringen und ihn dort foltern oder vielleicht sogar umbringen. Die Eltern möchten das nicht, denn eigentlich hat Anton keine angeborene Krankheit, sondern nur eine Behinderung infolge eines Unfalls. Anton kann besser rechnen als alle anderen in seiner Klasse und er ist künstlerisch begabt. Als er in die Klasse von »Onkel« Franz kommt, wird sein Leben nicht leichter. Seine Klassenkameraden, die fast alle sogenannte Hitlerjungen sind, ärgern und schlagen ihn. Anton wird die ganze Zeit gedemütigt und niemand möchte mit ihm spielen. Sogar Lehrer Heimann schlägt ihn in der Klasse und stellt ihn bloß. Im Jahre 1941 ist das Leben nicht einfach, wenn man behindert ist.
Dieses Buch ist sehr lehrreich. Man erfährt viel über die Zeit und die Lebensumstände der Menschen zum Zeitpunkt des Zweiten Weltkrieges. Die Sprache ist einfach und klar. Das Buch, das nicht lang ist, ist daher auch gut lesbar. Außerdem geht die Handlung auf die Zeit vor Zweiten Weltkrieg ein, indem berichtet wird, wie Hitler an die Macht kam. Weiterhin werden die einzelnen Etappen des Krieges und die allmähliche Niederlage Deutschlands dargestellt. Die zentralen Ereignisse der einzelnen Kriegjahre werden also kurz erklärt. Anton stellt sich sehr viele Fragen zum Leben und am Ende des Buch werden seine Überlegungen immer philosophischer. Seinen Mitmenschen kommt Anton wie ein Junge vor, der nicht besonders schlau ist. Doch er denkt sehr viel nach, stellt seiner Mutter andauernd Fragen und versteht viel mehr als es den Anschein hat. Anton bezeichnet sich selbst als ein Kind mit einem »K-K-Kopf v-v-voller G-G-Geheimnisse«, die er gelegentlich auch »Antongeheimnisse« nennt. Das macht ihn sehr mysteriös und besonders. In dem Buch wird über das Böse nachgedacht und es gibt schöne und melancholische Aussagen über das Leben und die Gesellschaft. Das Erzählte ist sehr traurig und man kann mit Anton mitfühlen, wenn von seiner Einsamkeit die Rede ist: »Aber allein ist er trotzdem. Immer mehr allein. Keiner spielt mehr mit ihm. Die einen dürfen nicht, die andern wollen nicht. Und die dritten ärgern ihn. Und das macht ihn richtig einsam und verlassen.«
Dennoch hat mich Einiges während des Lesens gestört. Antons Sprache ist oft kindisch und er drückt sich durchwegs sehr einfach aus. Dies liegt daran, dass der Roman aus Antons Sicht erzählt ist und sein Denken zeigen möchte. Er spricht auch immer von sich selbst in der 3. Person Singular, was einen irritieren kann: »K-k-kann A-A-Anton A-A-Aspirin m-m-mit M-M-Marmelade b-b-bezahlen?«
Ich empfehle den Roman denjenigen, die sich für den Zweiten Weltkrieg interessieren und die es nicht stört, dass traurige Bücher zu lesen. Gefallen haben mir vor allem die philosophischen Aspekte und die Tatsache, dass die Handlung so informativ und lehrreich ist. Ich empfehle diesen Roman ab 11 jahren empfehlen und gebe ihm 7 von 10 Lesezeichen 🔖.
Verlag: Fischer Verlage – Erschienen: 2006 – Seiten: 224